Menschen, die wir bewundern #4: Dennis Lyxzén (Refused, INVSN, Fake Names ...)

Ein Schrei, der nicht brüllt. Verzerrt und klar zur gleichen Zeit. Voller Wut und trotzdem kontrolliert.

Ein stilvoll gekleideter Mann mit halblangen Haaren und Kleidergröße S, der schon zum „Sexiest Man of Sweden“ gekürt wurde. Mit opulenten Ringen an den tätowierten Fingern. Unter dem Hemd kann man weitere Tattoos erahnen. Herzlich und offen, dabei angenehm zurückhaltend. Fast ein wenig schüchtern wirkt er, spricht leise und klar.

Dann betritt er die Bühne und hat sofort die Aufmerksamkeit aller Menschen im Raum. Als stünde man vor einem Vulkan, in dem man erstmal nur einen schönen Berg sieht – aber irgendwie doch die Energie der innen brodelnden Lava spüren kann.

Und dann explodiert er im Rhythmus der Musik, steht keine Sekunde mit beiden Beinen auf dem Bühnenboden. Haare, Arme, Beine fliegen umher, oft alle zur gleichen Zeit auf gleicher Höhe.

Dennis Lyxzén heißt dieser mal ruhende, mal wütende Vulkan – wahrscheinlich der einzige Vulkan Schwedens, der regelmäßig ausbricht. Zwei Dinge bringen ihn zur Explosion: Musik und Politik. Das schwingt in allem mit, was er tut. Und das ist eine Menge!

Dennis‘ greift den Kapitalismus in seinen Texten mit teils harten Worten deutlich an. Mit einer Sprache, die zum Extremen neigt. „Ich trage viel Wut auf unsere kapitalistischen Strukturen in mir. Aber ich möchte keine gewaltsame Revolution. Ich möchte Dinge klar benennen und auch ausdrücken, für wie gewalttätig ich den Turbokapitalismus halte. Wenn du mich fragst, sind einzelne PolitikerInnen oder Firmen gar nicht das größte Problem der heutigen Gesellschaft. Das Problem ist unsere durch und durch kapitalistische Denkweise mit ständigem Gewinn und Wachstum im Mittelpunkt. Denn aus ihr entstehen menschen- und umweltverachtendes Verhalten und die meisten unserer derzeitigen globalen Probleme. Solange sich diese Denkweise nicht ändert, wird immer, wenn ein Antreiber verschwindet, ein neuer Marktteilnehmer diese Stelle einnehmen. Es genügt also nicht, die Firmen oder Parteien anzugreifen, denn sie sind nur eine Funktion des Systems. Man muss das System als Ganzes in Frage stellen. Daher kommt meine wütende Lyrik mit starken Anlehnungen an Revolutionen und deren Symbolik.“

Glaubt er denn, dass dieses System tatsächlich überwindbar ist? „Ja. Mein Herz ist das eines Revolutionärs und ich denke, dass Kapitalismus überwunden werden kann. Dieses kapitalistische Denken, in das wir uns immer weiter hineinbegeben haben, existiert erst seit ungefähr 150 Jahren. Und heute sieht man schon, dass Kapitalismus nicht gut funktioniert. Unser Planet stirbt, weil wir aufgrund unserer Markt- und Systemstrukturen die Natur ausbeuten – in gewaltigem Ausmaß. Wir zerstören mit diesem Denken alles, auch unsere eigene Lebensgrundlage. Wenn immer mehr Menschen das realisieren, können wir den Kapitalismus ersetzen. Ehrlich gesagt, glaube ich fest daran, dass er eines Tages verschwunden sein wird. Allerdings wird es keine schnelle Revolution sein, sondern eine, für die wir eine Menge Geduld brauchen. Das ist für mich das Schwierigste daran.“

Lyxzén spricht das mit der ihm eigenen Ruhe aus. Aber die Energie und Leidenschaft, die hinter diesen Worten steckt, schwingt ständig mit – wie in seiner Musik. Was treibt diesen mittlerweile 50-jährigen Mann im Innersten an? Ist es mehr der Wille, etwas zu verändern oder die Musik?

„Phew. Das ist keine leichte Frage. Ich merke, dass ich beim Texte schreiben immer wieder bei meinen gesellschaftskritischen Themen lande. Auch in fast allen längeren Gesprächen, egal wo ich auf der Welt gerade bin, ist das Thema immer präsent. Das bin ich. Aber, ganz im Inneren ist es die Musik, die mich antreibt. Ich liebe Musik. Ich liebe Lyrik, liebe Kreativität und liebe es, etwas zu erschaffen. Die Gefühle, die Musik – ganz egal, welche Art von Musik übrigens – in mir auslösen kann… Das kann nur Musik. Ich liebe und lebe Musik!

Inzwischen ist Refused wieder vereint, veröffentlicht neue Alben und geht auf Tour. Aber das ist nur noch eins von Dennis‘ unzähligen Projekten. Daneben ist er lizensierter Fußballtrainer, seit er sich beim Spielen das Knie verletzt hat, hat jeden Morgen und vor allen Auftritten seine Yoga-Routine: „Sport hat eine ähnliche Kraft wie Musik: Er kann Menschen zusammenbringen, über Grenzen hinwegdenken, motivieren und die innere Kraft auf etwas Gutes lenken.“  

Ganz schön umtriebig, dieser Kerl? Das war noch nicht alles!

Mit seiner Post-Punk-Band „INVSN“ hat er ein Album und eine EP veröffentlicht und war gerade auf Tour, ein neues Album von „Fake Names“ ist im Kasten und erscheint im März 2023. Außerdem hat er gleich zwei neue Projekte angeschoben: „Vännäs Kasino“ ist eine neue Punkband und bei „Backengrillen“ arbeitet er mit anderen Refused-Mitgliedern an einer Mischung aus Free Jazz, Kraut und Metal. Sein YouTube-Kanal „Dennis Deep Cuts“ dreht sich um Musik, Kunst, Bücher und alles andere, was ihn interessiert.

Aktiv sein, nicht stehen bleiben – und weiter mit Nachdruck für das einstehen, was ihm wichtig ist: So geht Dennis Lyxzén mit einer Zeit um, in der Pandemien, Kriege, Umweltzerstörung und eine unsichere Zukunft einen kratzig-unbehaglichen Mantel über alles legen: „Klar. Die Zeiten sind scheiße. Auf der großen Weltbühne. Aber auch im Kleinen: Nie zuvor hatte ich so viele Freunde auf der ganzen Welt mit mentalen Problemen. Starke Menschen, deren Psyche hart leidet. Wir haben uns selbst ein System erschaffen, in dem wir nicht mehr zurechtkommen. Ein System voller Druck. Wenn uns dieses System mental zerfrisst, dann ist das System krank. Wir müssen es ändern. Wir brauchen noch eine Revolution!“

Da ist er wieder: der ruhig erscheinende Vulkan, der seine gesammelte Kraft im Inneren kanalisiert und kontrolliert zum Ausbruch bringt. Seine Lava ist Musik und sein Ziel ein gesellschaftlicher Umbruch. Er schreit. Laut. Aber er brüllt nicht. Er weiß, was ihm wichtig ist: Heute Nacht tanzen. Morgen Revolution.

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Dennis Lyxzen ist nur einer der Menschen, die wir in unserem "Menschen, die wir bewundern"-Blog vorstellen. Hier findest du die anderen tollen Menschen, schau mal rein!

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